Jugenderinnerungen

Wilhelm Bräuninger (1847-1931) und seine Frau Rose (1845-1918), die Pächter des Hofgutes Hammetweil.

Wilhelm Bräuninger (1847-1931) und seine Frau Rose (1845-1918), die Pächter des Hofgutes Hammetweil.

Hammetweil zur Heimat gemacht

 Jugenderinnerungen von Wilhelm Bräuninger, Pächter von Hofgut Hammetweil, vorgetragen an seinem 8o. Geburtstag am 13. November 1927

Aus seiner Jugendzeit hat uns Vater (Gottlob Bräuninger 1810-1898) als erzählt, dass er eine harte Jugend gehabt und streng erzogen worden sei und dass er als Knabe viel im Neckar gebadet und dabei einmal ertrunken sei, jedoch wieder zum Leben gekommen durch kräftiges Reiben und verschütteln seiner Mitschüler.

Seine Jugend und Schulzeit verbrachte er zu Hause, dagegen seine Lehrzeit, sowohl in der Praxis als auch in der Theorie der Landwirtschaft, auf der Akademie in Hohenheim. Vater soll ein flotter, lebensfroher, jedoch sehr fleißiger Student gewesen sein. Nach vollendetem Studium fand er eine Anstellung auf der Instituts-Kanzlei als Buchhalter, bis er im Alter von 25 Jahren eine Stelle als Gutsinspektor auf dem Gut Ihingen bei Leonberg angenommen, woselbst er in dem benachbarten Ort Renningen Eure Großmutter (Wilhelmine geb. Egeler) kennengelernt und sich mit derselben im Jahr 1838 verheiratete, und sind dort unsere 2 ältesten Schwestern Marie und Mathilde geboren.

Im Jahr 1840 wurde der Pacht des Schlossgut Sindlingen frei, welches Gut nun Großvater mit seinem Bruder Fritz pachtete. Für Großvater mag’s wohl keine leichte Aufgabe gewesen sein, die Bewirtschaftung dieses 800 Morgen großen Gutes auf sich zu nehmen, zuweilen der Onkel Amtmann kein gelernter Ökonom war und den Gutsbetrieb ganz unserem Vater überließ, doch gab der lb. Gott seinen Segen dazu, auch bezüglich des Anwachsens der Kinderzahl, deren in Sindlingen noch 10 geboren wurden und dadurch die Zahl auf 12 Nachkommen gestiegen. Die 2 jüngsten Brüder Christian und Friederich sind (nach 1855) erst in Einsiedel geboren.

(…) Ich bin im Schloss in Sindlingen am 13.November 1847 als 8.tes Kind unserer Eltern geboren; soll ein schmächtiges, übelsichtenes Kind und ein rechter Schreier gewesen sein mit einer Stimme wie aus einem hohlen Kochhafen, dem man nur ein kurzes Dasein prophezeite und heute nach 80 Jahren steht dieser Schreihals in Eurer Mitte als das drittälteste von 14 Geschwistern.

Schon in meiner frühesten Jugend soll ich eine große Vorliebe für das Arbeiten am Holz (und später auch an den Bäumen) gehabt haben. So sagte mir unsere liebe Ille immer wieder, ich hätte schon Baumbüchele gemacht im Schlossgraben vor dem Schloss solange ich noch so ein kleiner Knirps gewesen, dass mir das Külble (Hemdle) noch herausgehangen.

Wer unsere Ille gewesen, darf nicht unerwähnt bleiben. In Wirklichkeit, hieß sie Elisabethe Schmid, aus Gniebel gebürtig, war unsere Kindsmagd (wie damals die Bezeichnung war), die uns 14 Kinder aufgezogen und an der wir Kinder alle sehr hingen (ich wohl am meisten, sogar so sehr, dass man mir sagte, als Kind schon, dass ich wohl kaum ohne Ille leben könnte. Was diese Person in aller Ruhe und Stille geleistet hat, davon macht man sich heutzutage keinen Begriff. Nicht bloß, dass wir Kinder meist ihr zum hüten und pflegen überlassen waren (da unsere Mutter hierzu keine Zeit hatte), hatte sie noch die Zimmer der Praktikanten (deren es meist 4-5 waren) zu machen, wozu sie immer eine Portion der Kleinsten mitgenommen, außerdem hatte sie noch für die Herrschaft die Getränke im Keller zu holen und dies alles bei einem Jahreslohn von 3o fl , = 5o Mark.

(…)Eines kleinen, an sich unbedeutenden aber doch recht bezeichnenden Vorkommnisses aus meiner Jugendzeit erinnere ich mich immer auch noch gern. Zu meinem Geburtstag schenkte mir unsere Ille ein kleines, sogenanntes Weingärtnerhäble zum Trauben schneiden im Herbst, wozu wir von deren Bruder nach Gniebel eingeladen waren.

Eines schönen Tages verlor ich dieses Häbchen und war darüber ganz untröstlich, da an diesem Geschenk meine ganze Seele hing und wir dasselbe trotz eifrigstem Suchen nicht finden konnten bis mich unsere llle aufforderte, recht zum Heiland zu beten, dass er es mich wieder finden lasse. Gesagt, getan und hat sich hierauf das Verlorene wieder gefunden. Aber diese Freude, die ich dabei hatte, dürfte einer Freude am Christabend nichts nachgestanden haben.

Auf Einsiedel freuten wir Kinder uns natürlich nicht wenig, welche Freude sich erst noch recht steigerte, als wir vom Schönbuch durch die Hauptallee dem Hof zufuhren und der ausgedehnte Gebäudekomplex sichtbar wurde mit der so schönen und geräumigen Pächterwohnung, umgeben mit weitgehenden Obstbaumanlagen, von deren Zentrum aus nach allen Richtungen strahlenförmig 9 Obstbaumalleen gegen den angrenzenden Schönbuchwald verliefen, die jede ihren besonderen Namen hatten.

(…).Da der Fleiß zum Lernen namentlich bei uns Brüdern sehr zu wünschen übrig ließ, da wir anderweitig viel zu viel für uns angenehmere Zerstreuung hatten mit Tauben, Hasen, Meerschweinchen und pflegen von unseren eigenen Gütchen, hielten es die Eltern für angezeigt (war auch wohl sehr notwendig), besser für ein lernen für uns besorgt zu sein und so kamen wir drei Brüder nach Stuttgart in die Realschule und in Pension zu Lehrer Hayer, wo wir sehr gut untergebracht waren und ein zweites Heim hatten, wenn auch anfangs das Lernen erschwert ging. Mit der Zeit ging’s schon, da wir keine weitere Zerstreuung mehr hatten und war mein Lehrer Heubach mit meinen Fortschritten sehr zufrieden, worüber ich heute noch ein Zeugnis von ihm in Händen habe.

Leider wurde unser Lernen schon nach 1 1/2 Jahren jäh unterbrochen, da die beiden älteren Brüder zur Confirmation heim und damit die Schule verlassen mussten. Unglücklicherweise wurde mir die Wahl gelassen von Seiten der Eltern, ob ich allein in Stuttgart bleiben oder auch mit nach Hause wollte, wobei ich mich natürlich mit Freuden für Letzeres entschied und hierdurch aus dem besten Lernen herausgerissen wurde zum größten Nachteil für mich, da ein noch längerer Schulbesuch in Stuttgart von großem Vorteil gewesen wäre, namentlich für späteres Studium in Hohenheim. Ich habe es auch in späteren Jahren sehr bereut, diesen Schritt getan zu haben.

(…)In diese Zeit mag es gefallen sein (Anfangs der 60er Jahre), dass einstmals unser damaliger König Karl (wohl anlässlich einer Jagd) nach Einsiedel kam und sich dabei im Forsthaus aufgehalten; gelegentlich dieses Aufenthalts von Majestät daselbst ließ es unser Vater sich nicht nehmen (oder wurde er dazu aufgefordert, weiß es nicht) seine Kinderschar demselben vorzuführen und wurden wir Jugend alle dem Alter nach (in unmittelbarer Nähe des Jagdschlösschens von Graf Eberhard) aufgestellt, angrenzend an den Forsthof, in dem der Weißdorn steht, den dieser Graf zu seiner Zeit als Reis auf dem Hut von einer Palästinareise mitgebracht und hier gepflanzt haben soll. Majestät soll sichtlich erfreut über unsere stattliche Kinderschar gewesen sein.

(…Hammetweiler Zeit) Bruder August war viele Jahre die rechte Hand des Vaters, bis er im Alter von 2o Jahren eine Stelle bei Herrn Schmidt in Meisenhelden als Aufseher angenommen und auch ein Jahr begleitete, dessen Umzug nach Möttlingen nach letzterem Gut machte Bruder August auch mit, nach Ablauf dieses Jahres studierte er auch in Hohenheim. Während der zweijährigen Abwesenheit von Bruder August war ich dessen Stellvertreter bei unserem Vater, bis auch ich im Jahr 1868/ 1869 nach Hohenheim durfte, woselbst ich fleißig dem Studium oblegen war. In Hohenheim durfte ich zu meiner großen Freude auch 2 Reit-Kurse mitmachen.

Nach Ablauf von 2 Semester Studienzeit übernahm ich die Stelle eines Verwalters auf dem 600 Morgen großen Gut Massbach (Freiherr von Palm gehörig), welche Stelle ich bei meiner Jugend und Unerfahrenheit etwas besorgt angetreten, da ich doch nicht ganz sicher ob auch der Stelle gewachsen, doch ging‘s über Erwarten gut und wurde mir die Bewirtschaftung des Gutes wesentlich dadurch erleichtert, dass ich einen sehr tüchtigen Oberknecht zur Seite hatte.

(…) Nachdem ich 4 Jahre diese Stelle begleitete, hat unser Vater (auch ich selbst) gefunden, dass es Zeit für mich war, für einen eigenen Betrieb besorgt zu sein. Durch einen Besuch in der Heimat erfuhr ich, dass das Gut Hammetweil zu pachten wäre. Sowohl bei Abschluss des Pachtes Hammetweil, sowie auch bei der Übernahme sämtlichen Inventars war mit Schwager Fischer sehr behilflich.

(…) In der ersten Zeit hatte ich in Hammetweil eine Haushälterin, bis ich mich bald darauf mit Eurer Mutter verheiratete, die ich schon in Maßbach kennenlernte und in der ich eine treu besorgte Lebensgefährtin gefunden, mit der ich auch 45 Jahre in glücklichster Ehe lebte. Dank deren herrlicher Gemütsanlagen und deren stillem Gott ergebenen Sinn und unentwegtem Gottvertrauen. Auch ihr wollen wir am heutigen festlichen Tage recht von Herzen dankbar gedenken und uns vergegenwärtigen, wie viel wir ihr zu verdanken, da sie uns stets so viel Liebe entgegengebracht und uns damit Hammetweil erst recht zur trauten Heimat gemacht.