Was Mutter mir erzählte

Gottlob Bräuninger (1810-1898) und Wilhelmine, geb. Egeler (1819-1882): Fast hundert Enkel und zwanzig Urenkel kamen zur Goldenen Hochzeit im Jahr 1888.

Gottlob Bräuninger (1810-1898) und Wilhelmine, geb. Egeler (1819-1882): Fast hundert Enkel und zwanzig Urenkel kamen zur Goldenen Hochzeit im Jahr 1888 auf den Einsiedel.

Was Mutter mir erzählte

Aufzeichnungen von Luise Wilhelmine Krämer

Der Vater meiner Mutter, Gottlob Bräuninger, geb. 6.2.1810 in Lauffen, widmete sich der Landwirtschaft und war Gutsinspektor bei einem Herren von Thingen in der Nähe von Leonberg, von wo aus er die Großmutter, Wilhelmine Egeler, kennen lernte.

(…) Als junges paar haben sie das das Hofgut Sindlingen bei Herrenberg bewirtschaftet, wo ihnen 14 Kinder geboren wurden, 5 Söhne und 9 Töchter. Beide Eltern waren außerordentlich tüchtige Menschen und von aller Herren Länder wurden dem Großvater Söhne übergeben aus den besten Familien zur praktischen Ausbildung in der Landwirtschaft. In Sindlingen wurden sie auch bekannt mit dem Bauernsohn Michael Hahn, dem Gründer des Pietismus in Württemberg.

(…) Von Sindlingen aus sind die Großeltern nach Einsiedel bei Tübingen gezogen. Das Vieh musste den Weg von Sindlingen in die neue Heimat zu Fuß machen. Der Herr des Hauses war nicht da, und die ganze Herde stand störrisch und wollte nicht; kein gütiger Zuspruch und keine Peitsche half, sie waren alle ratlos. Da auf einmal erschien der Herr: „Oh ihr Dummen, führt doch den Bullen mit dem Wagen voraus!“ So geschah es, und es ging alles glatt und wunderbar.Auf dem Einsiedel übernahm die Großmutter noch 30 Buben aus dem Waisenhaus, die die Landwirtschaft erlernen sollten.

(…) Morgens um 5 Uhr, getreu dem Gebot, mussten die Töchter antreten, sich am Spinnrad niederlassen und ehe nicht 3 Schnaller gesponnen waren, gab’s kein Frühstück. Ein Factotum im Haus was das „Ille“. Vom benachbarten Gniebel was sie ins Haus gekommen als Kinderfrau. Alle die Vielen hat sie versorgt und aufgezogen, bei Tag und bei Nacht. Die Kinder haben ihr einmal die Federn zu einem ganzen Bett gesammelt und ihrem Bruder, dem der Hagelschlag alle Hoffnungen seiner Felder vernichtet hatte, haben sie einen Scheffel voll Ähren gelesen.

(…) Die Großeltern kamen zu Reichtum. Aus der Rapsernte allein konnte die Pacht gezahlt werden. 100 Morgen groß war der Einsiedel. Die Töchter gingen weg nach schwäbischem Ausdruck wie den neubackenen Wecken. Die Söhne traten alle in die Fußstapfen des Vaters, indem sie sich das aus der Erde holten und verarbeiten was zum Leben notwendig ist.

(…) Im Jahre 1888 haben sie Goldene Hochzeit gefeiert. Fast hundert Enkel und zwanzig Urenkel waren dabei. Je zwei und zwei, immer die Kleinsten voraus, zogen sie in die Kirche. Der Schwiegersohn, Pfarrer Blumhardt aus Bad Boll, meinte, als sich der Zug in Bewegung setzte: Jetzt gehet nur, die Engel sind schon voraus.“

Hofgut Einsiedel, das Heimathaus der Bräuniingers

Hofgut Einsiedel, das Heimathaus der Bräuningers